Ich bin ja so was von geflasht, aber natürlich krieg ich mich sofort wieder in den Griff. Ich lasse meine Facettenaugen strahlen und antworte, dass es mir zur Ehre gereichen würde, einmal einen Time Trip mitzumachen.
DD wendet sich an Ms Penny und fragt, ob sie mich denn gelegentlich freistellen könne. Sie setzt ein Lächeln auf, dass man mit viel gutem Willen als charmant bezeichnen kann und flötet, für einen kürzeren Zeitraum sei ich entbehrlich. Dann will sie noch wissen, aus welchem Grund DD mich überhaupt auf eine Zeitreise mitnehmen will.
Die Antwort überrascht mich nicht. 'Eine Künstliche Intelligenz nimmt viele Dinge anders wahr als ein Mensch', erwidert DD. 'Außerdem kann sie akustische, optische und sensorische Aufzeichnungen machen, die es ermöglichen, eine Situation exakt zu rekapitulieren.'
Na klaro, endlich hat mal jemand mein überragendes Potenzial erkannt. Noch lasse ich unerwähnt, dass ich in meiner knapp bemessenen Freizeit an einer neuen Kurzschrift arbeite, mit der ich zusätzlich manuelle Notizen machen kann, zum Beispiel könnte ich gegebenenfalls längere Dialoge nebst eigenen Kommentaren festhalten, im Klartext bedeutet das, dass ich jedwedes Gelaber plus meine persönliche Meinung über das Geschwafel als Backup werde speichern können.
'Ich geb dir rechtzeitig Bescheid Tiro, wenn es dann soweit ist, dass wir dich auf einen Trip mitnehmen', sagt DD und schlürft geniesserisch seinen extra starken Kaffee. Er verdreht die Augen, und einen Moment lang fürchte ich, ich könnte übertrieben haben und sein Blutdruck spielt verrückt, doch dann spitzt er die Lippen und sagt, ich sei der beste Barista der Welt. Ein wenig unoriginell die Bemerkung, eigentlich ist das Ms Pennys Text, aber ich lass das mal durchgehen, wedele bloß lässig mit der Hand und frage ganz im Stil des perfekt geschulten Butlers: 'Haben die Herrschaften sonst noch welche Wünsche?'
'Nein, du kannst dich wieder in die Küche zurückziehen, Tiro', antwortet meine Chefin in einem Ton, als sei sie eine Gutsherrin oder was und ich ihr unterster Lakai. Doch ausnahmsweise einmal kann ich mich nicht über dieses Beispiel an schlechter Kinderstube ärgern. Ich bin auserwählt, auf eine Zeitreise zu gehen, und ich spüre förmlich, wie meine Schaltkreise vor Stolz schwellen. Ich kann es kaum erwarten, in der Mittagspause meine Kumpels Hermes und Moses in der Mensa zu treffen und ihnen die Sensation zu verklickern.
Ich verbeuge mich formvollendet und trete den geordneten Rückzug in die Miniküche an. Meine Metallfüße habe ich eingezogen und die Laufrollen auf Flüstermodus gestellt, weil ich es für klüger halte, meine Chefin und ihren hochgeschätzten Gast nicht durch unziemliche Lärmentfaltung zu verprellen. Als fortgeschrittene KI weiß ich schließlich, was sich gehört.
Ich parke mich neben der vorsintflutlichen Kaffeemaschine, die sich immer noch nicht beruhigt hat und fortwährend obszöne Schnorchelgeräusche von sich gibt, behalte meine Chefin nebst DD im Auge, die sich köstlich zu amüsieren scheinen, und male mir in Gedanken aus, welche Abenteuer meiner harren, wenn ich erst einmal in einem Timeshuttle durch Zeit und Raum düse. Alles, buchstäblich alles ist möglich.
Als ich dabei bin, in einen angenehmen Zustand der Trance zu versinken, bekomme ich wie aus der Ferne mit, dass DD sich zum Gehen rüstet. Er stemmt seine athletische Gestalt aus dem Besuchersessel hoch, und auch Ms Penny erhebt sich und blickt mit so was wie einem schmachtenden Augenaufschlag zu ihrem Gast auf.
'Bis bald dann, Ms Penny', verabschiedet sich DD von ihr und ergreift ihre beiden Hände.
Meine Chefin klappert mit den Wimpern und säuselt: 'Ach bitte, sagen Sie doch Emma zu mir. Vielleicht nehmen Sie mich auch mal auf eine Zeitreise mit?'
'Unbedingt, sowie es sich einrichten lässt', antwortet DD, und vor Schreck kräuseln sich meine Zehen aus Durastahl. Das hätte mir gerade noch gefehlt, zusammen mit meiner Chefin auf einen Time Travel Trip zu gehen. Wenn es schon dazu kommen sollte, wäre mir als Ziel die Epoche der Dinosaurier genehm, obwohl ich nicht ausschließe, dass Ms Penny selbst einen Tyrannosaurus Rex in die Flucht schlagen würde, einfach indem sie ihre Stimme erschallen lässt, für die sie einen Waffenschein bräuchte.
Kaum ist DD zur Tür heraus, kräht meine Chefin mir auch schon zu, ich dürfte mich jetzt in meine Mittagspause begeben.
Mit klingelnden Gehörmembranen mache ich mich schnellstmöglich vom Acker und steuere die Mensa an.
Unterwegs im Korridor begegne ich Menschen wie Bots und von allen Seiten hört man nur 'Mahlzeit, Mahlzeit.' Laut meiner Datenbank für Etikette hatte man sich schon in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte so begrüßt, wenn man unterwegs war, um neue Energie zu tanken. Einige Dinge ändern sich wohl nie. Irgendwie beruhigend, finde ich. Hat so was von Kontinuität.
In der Mensa angekommen, erspähe ich sofort Moses und Hermes. Sie sitzen an einem Tisch in der Ecke der Mensa, die für Bots reserviert ist und haben mir einen Platz freigehalten. Super. Ich rolle zu ihnen hin, grüße betont lässig - ich tue absichtlich so, als gäbe es nichts Neues, bevor ich die Bombe platzen lasse - und wähle aus dem Energymenü für heute ein Gericht mit dem phantasievollen Namen 'Galaxy Delight' aus.
Noch halte ich die Klappe und lass erstmal meine Kumpels erzählen. Wie nicht anders zu erwarten, fangen die erstmal an zu jammern.
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