Ich nehme all meine Kraft zusammen, bedanke mich artig für die Frage nach meinem werten Befinden und erwidere, mir ginge es glänzend. Leider kann ich nicht verhindern, dass meine Stimmlage ein bisschen ins Wehleidige abdriftet.
'Da bin ich aber froh', flötet meine Chefin. 'Vorhin begegnete mir im Flur Dame Agatha, und die sagte mir mit einem Augenzwinkern, sie hätte dich und deine beiden Kumpels gestern Abend im Asi-Muff getroffen. Da muss ja richtig die Post abgegangen sein. Und sie war ganz hin und weg, was für ein flotter Tänzer du bist. Ich denke, ich sollte gelegentlich auch ins Asi-Muff gehen. Bestimmt mal was anderes als die Lokale auf dem Campus, in denen sich die Dozenten treffen. Sind alle ein bisschen zu spießig für meinen Geschmack.

Meine Laune erreicht einen nie zuvor erlebten Tiefpunkt. Es langt mir schon, wenn ich meine Chefin den ganzen Tag über um mich habe, allein die Vorstellung, ihr auch noch in meiner dienstfreien Zeit zu begegnen, könnte glatt eine Depression bei mir auslösen.
Natürlich behaupte ich, nichts wäre mir lieber, als die gute Ms Penny demnächst im Asi-Muff wiederzusehen, während ich gleichzeitig krampfhaft überlege, ob ich meine abendlichen Aktivitäten nicht anderswo outsourcen könnte. Ich mache mir schon mal eine Notiz, bei nächster Gelegenheit einen der Servobots aus der Mensa zu fragen, wo unsereins des abends abhängen kann, ohne auf Mitglieder des so genannten Lehrkörpers zu treffen. Die Typen, die in der Mensa am Tisch bedienen, sind meistens ganz gut informiert, was die aktuell angesagten Lokale betrifft, denn sie sind durch ihren undankbaren Job noch einen Zacken gestresster als meine Kumpels und ich und müssen dementsprechend Dampf ablassen.

'Na, was ist, Tiro, möchtest du nicht die Kaffeemaschine anschmeissen?', trällert Ms Penny und reißt mich aus meinen Gedanken. Innerlich verdrehe ich die Augen, murmele 'Aber selbstverständlich, Chefin. Bin schon unterwegs.' und begebe mich mit demonstrativer Eile zu dem Monstrum.
Heute scheint sich aber auch alles gegen mich verschworen zu haben. Das Ungetüm will einfach nicht anspringen. Ich versuche sämtliche Tricks, aber dieses Biest reagiert nur mit einer Abfolge von obszönen Geräuschen, bis es plötzlich so was wie einen gurgelnden Schnaufer tut und dann ganz verstummt.
Exitus.
Aufgeregt rolle ich mit hektisch klappernden Rädern an Ms Pennys Schreibtisch und erkläre mit dem gebotenen Pathos die Havarie. Die Chefin kneift ihre ohnehin schon schmalen Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, runzelt die Stirn und greift dann mit resoluter Geste zum Telefonhörer. Die Apparatur ist auf Lautsprecher geschaltet, und ich bekomme einen Dialog mit, der als Vorlage für ein Drama im Mafia-Milieu dienen könnte.
Ms Pennys Gesprächspartner aus der Materialbeschaffungsstelle wiegelt ab, schlägt eine Reparatur vor, will den Hausmeister-Bot schicken und quasselt was vom Kostendämpfungsgesetz und überhaupt sei alles so teuer.
Vielleicht zum ersten Mal, seit ich meine Sekretariatsstelle angetreten habe, bin ich richtig stolz auf meine Chefin. Ein taffes Weib, das muss man ihr lassen. Jeden Einwand schmettert sie mit Verve ab, schimpft, droht und führt zum Schluss Dame Agatha ins Feld, die an unserem College einen quasi legendären Ruf genießt. Man munkelt, sie habe großen Einfluss auf die Leitung dieses Instituts, da sie aus einer alteingesessenen Familie stammt, die das CAHS finanziell großzügig unterstützt. Im Gegenzug allerdings bei allem und jedem mitmischt, auch im Hinblick aufs Personalfragen.
Im Mafia-Sprech ausgedrückt, sie macht dem widerborstigen Kerl von der Materialbeschaffungsstelle ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.
Kicher Kicher. Hi Hi....

Und auf einmal löst sich alles in Wohlgefallen auf. Die neue Kaffeemaschine wird genehmigt, sogar eine 'de-luxe-premium-state-of-the-art' Ausführung, was immer man darunter verstehen darf.
Ms Penny legt den Hörer auf, lehnt sich zurück und meint: 'Wie war ich, Tiro?'
'Meine Hochachtung, Chefin', antworte ich. 'Das haben Sie hervorragend gewuppt, salopp ausgedrückt.'
In Null Komma Nichts klopft es an der Tür, und ein Hausdiener-Bot kommt mit einem Rollwagen herein. Darauf steht ein großer Karton in einem ziemlich aufwändigem Design. Aha, die neue Kaffeemaschine, ging ja schnell, sage ich zu mir.
Der Bot lässt sich den Empfang von Ms Penny bestätigen und gleitet wieder nach draußen. Die alte Kaffeemaschine nimmt er mit, vermutlich um sie in der hauseigenen Werkstatt nach wiederverwertbaren Ersatzteilen zu durchstöbern. Mir bleibt es überlassen, das neue Teil auszupacken.

Nicht schlecht, denke ich, als ich die Kaffeemaschine in 'de-luxe-premium-state-of-the-art' Ausführung aus ihrer Umhüllung schäle. Ein bisschen schwummerig wird mir schon bei so viel hochmoderner Technik. Ich klinke mich in meine technikaffinen Dateien ein und lasse das neueste Update durchlaufen. Ist schon eine tolle Sache, wenn man auf Abruf mit den innovativsten Programmen vernetzt wird.
Natürlich muss ich auch noch meinen eigenen Grips anstrengen, so weit ist man auch jetzt noch nicht, dass eine KI selbständiges Denken ersetzt. Geht halt doch nichts über den gesunden Bot-Verstand.

Bald hab ich den Bogen raus und verfrachte den Neuankömmling in die für die Kaffeemaschine vorgesehene Nische.
Sogar einen Namen hat die Neue. Sie heißt 'Bella Mocka'. Und wie ich sie so hin und her schiebe und an den richtigen Platz rücke, stelle ich fest, wie ausnehmend gut der Name zu ihr passt. Sie ist wirklich eine Schönheit. Ein bisschen retro im Design, rubensmäßig, Kurven genau da, wo sie hingehören. Griffig, lädt ein zum Streicheln. Und sprechen kann das Ding! Lässt sich per Touchscreen bedienen, aber auch per Stimme.
Ich fummele mich durch die diversen Menüs, und wie ich mit meinen im Agil Modus eingestellten Fingern über die einladend schimmernden Rundungen streiche, spüre ich zu meinem gelinden Erstaunen, wie sich in mir die höchst seltsamsten Regungen ausbreiten. Schnell checke ich meinen Emotionschip, aber der funktioniert einwandfrei.

Ms Pennys Exerzierplatzstimme reißt mich aus meinen inneren Betrachtungen. 'Was ist, Tiro, krieg ich endlich meinen Kaffee?'
Meine akustischen Membrane protestieren, aber ich reagiere profihaft gelassen.
'Na klar doch, Chefin, scrolle nur rasch durch das Menü. Was darf's denn sein, bitteschön? Filterkaffee, Espresso, Arabica, Mokka, Con Latte, Con Mandola, Con Orange Blossom Special - '
'Einen ganz simplen Kaffee bitte! Oder ist das zuviel verlangt?'
Meine Gehörgänge schalten automatisch den Crash Filter ein, der ein Knalltrauma vermeiden soll. Ist eigentlich nur für akute Notfälle gedacht, aber der Lärmpegel, den Ms Pennys Organ entfaltet, gleicht offenbar dem einer Megaexplosion.
Meine Finger fliegen nur so über das Touchpad, und wieder wird mir ganz eigenartig zumute. Ein bisschen zittrig kredenze ich meiner Chefin das gewünschte Getränk und kriege noch mit, wie sie nach dem ersten Schluck beseligt seufzt: 'Hat sich gelohnt, das ganze Theater. Ach so, ja, Danke, Tiro.'

Na also, es geht doch, sage ich zu mir selbst, denn ein Dankeschön aus Ms Pennys Mund ist so selten wie ein Blizzard in der Sahara.
Ich mache mich weiter mit der Bedienungsanleitung meiner Bella Mocka vertraut und schalte probehalber die Sprachfunktion ein.
'Was darf ich anbieten?', säuselt es aus dem winzigen Lautsprecher. 'Ich habe Folgendes im Angebot. Wenn eine bestimmte Sorte oder Geschmacksrichtung den gewünschten Vorstellungen entspricht, sagen Sie bitte Stopp oder drücken Sie auf den grünen Knopf.'
Dann geht es los, und hingerissen lausche ich dieser sanften Stimme. Ich kann gar nicht genug kriegen von der akustischen Berieselung, es ist wie eine dieser sinnlichen Massagen, wie sie in manchen Love and Romance Serien vorkommen, mit denen sich einige unserer College Studenten und Studentinnen angeblich vollbingen. Natürlich weiß ich das nur vom Hörensagen.

Ich erwache wie aus einer Trance, als Ms Penny die Mittagspause verkündet. Auf leicht wackeligen Rollen eiere ich in die Mensa und bin richtig erleichtert, als ich meine beiden Kumpels sehe, Hermes und Moses.
Kurzerhand beschliesse ich, mich ihnen anzuvertrauen. Vielleicht können sie mir ja erklären, was mit mir los ist.

'Ist doch ganz einfach', verlautbart Moses, nachdem ich mit meiner Erzählung fertig bin. 'Du bist verliebt.'
Hermes nickt wie zur Bestätigung und setzt noch eins drauf. 'Verknallt bist du. Tja, es hat dich voll erwischt, Kumpel. Diese Bella Mocka muss ja ein regelrechtes Supermodel sein. Da kann man nichts machen. Du musst da durch.'

Ach du meine Güte!
Ich bin verliebt!