Professor Doktor Denzil Defoe nähert sich dem ausladenden Schreibtisch, von dem wie durch Zauberei plötzlich sämtliche kosmetischen Utensilien verschwunden sind, nimmt auf dem Besuchersessel Platz und schlägt lässig die Beine übereinander. Ms Penny schenkt er einen bedeutungsschwangeren Blick, woraufhin diese errötet wie eine verschämte junge Braut und mit den frisch getuschten Wimpern klimpert, als hätte sie was ins Auge gekriegt. Mal wieder die typische Reaktion auf den Prof, der von seinen Studenten, vor allem den weiblichen, meistens nur DD genannt wird.
Ich stelle meine Augen und Ohren auf scharf, damit mir nichts von dem, was immer da sich anbahnen mag, entgeht. Schließlich habe ich bald meine wohlverdiente Mittagspause und sammle schon mal ein bisschen Stoff, mit dem ich dann meine Kumpels in der Mensa unterhalten kann. Nicht dass ich eine Tratsche bin, aber es lohnt sich allemal, mit den profaneren Vorgängen am College vertraut zu sein. Manchmal ist der Flurfunk das einzige Kommunikationsmedium, was einen mit belastbaren Infos versorgt, und wenn ich davon profitieren will, muss ich natürlich auch liefern. Eine Hand wäscht die andere, oder etwa nicht?
Der Einstieg in das Gespräch zwischen meiner Chefin und dem Prof beginnt schon mal recht vielversprechend. Vor kurzem hat es da einen Vorfall gegeben mit einem Timeshuttle und einer Studentin, der hier im CAHS ziemlich viel Staub aufgewirbelt hat. DD und diese Thalia, so heißt besagte Studentin, sind zu einer Exkursion in die Vergangenheit aufgebrochen, und zwar privatissimum et gratis. Was im Klartext heißt, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Aus Gründen, die immer noch nicht völlig geklärt sind, gab es eine Havarie, der Timeshuttle kam vom Kurs ab und landete irgendwo in der historischen Pampa bei irgendwelchen Hinterwäldlern. Die Komm zu dem Shuttle brach ab, aber in einer aufwändigen Rettungsaktion konnten der Prof nebst der Studentin wieder in unser hübsches Hier und Heute zurückgebracht werden. Mit einem Wust an Papierkram wird der Vorfall jetzt dokumentiert und aufgearbeitet, und das ist auch der Grund, weshalb DD unser bescheidenes Sekretariat mit seiner Anwesenheit beehrt.
Irgendwas mit der Spesenabrechnung gibt es da noch zu klären, aber meine Chefin winkt den Vorgang großzügig durch und ab dann wird es interessant.
DD fängt an zu erzählen, was er und Thalia während ihres Aufenthaltes bei diesen Hillbillys erlebt haben. Doch gerade als es richtig spannend wird und er schildert, wie er und Thalia zu so etwas wie einer Kreuzfahrt aufbrachen, wobei sich massenhaft alle möglichen Tiere auf dem Kahn befanden, sogar eine zahme Ente namens Salome, erinnert sich meine Chefin an mich.
Sie kreischt meinen Namen und bittet mich - Quatsch, sie befiehlt mir in einem Kommandoton, auf den ein sadistischer Schleifer sich was hatte einbilden können - eine neue Kanne Kaffee zu brühen. Und für etwas Knabber Gebäck zu sorgen.
Ich unterdrücke den Wunsch, diesem unsensiblen Frauenzimmer zu sagen, sie soll sich den Kaffee selbst machen, aber ich presse meine Sprechwerkzeuge fest zusammen und rolle mit demonstrativer Langsamkeit aus meinem Unterschlupf im Ficus Dickicht heraus. In meinem Emotionschip rumort es. Als Küchenhilfe bin ich absolut überqualifiziert, und nicht zum ersten Mal stelle ich in Erwägung, mich an unsere Gleichstellungsbeauftragte im CAHS zu wenden und mich zu beschweren. Aber zuerst werde ich um einen Termin bei Dr. Hilli ersuchen. Wenn ich bei ihm auf der Couch liege und darauf warte, dass sich der Zustand der Tiefenentspannung einstellt, kommen mir manchmal die besten Ideen, wie ich in eigener Regie meine Probleme lösen kann.
Aus lauter Trotz fuhrwerke ich so vehement mit der Kaffeemaschine herum, dass sie noch unanständigere Geräusche von sich gibt als sonst.
'Sag Mal, Tiro, muss das sein?', trällert Ms Penny mir hinterher. 'Geht das nicht ein bisschen leiser?'
'Tut mir leid, Chefin', rufe ich in meinem unterwürfigsten Ton zurück. 'Aber das Teil wird auch nicht jünger, so wie wir alle älter werden. Mit kosmetischen Finessen lässt sich da nichts mehr machen. Was wir brauchen, ist eine neue Kaffeemaschine. Schallgedämmt, so was Kultiviertes gibt's tatsächlich.' Ha, der hab ich ich's aber gegeben! Hoffentlich versteht sie den Wink!
Ein tiefer Seufzer als Antwort, der untergeht im lautstarken Geschepper, das entsteht, als ich das Knabbergebäck in eine Schüssel aus rostfreiem Stahl prasseln lasse.
Ich stelle Kaffeekanne, zwei Becher, ein Kännchen mit Sahne und die Zuckerdose auf den kleinen Teewagen, der eigens dafür angeschafft wurde, wenn im Sekretariat Gäste bewirtet werden, knalle herzhaft die Schüssel mit dem Knabber Gebäck daneben, dass Ms Penny bei dieser unverhofften Lärmentfaltung zusammenzuckt, und als Krönung dieser akustischen Störaktion fahre ich meine Greiffüße aus. Auf meinen Rollen kann ich mich nahezu lautlos bewegen, aber die podologisch konstruierten unteren Klauen, die eigentlich nur bei einem Einsatz im Gelände sinnvoll sind, verursachen auf dem gefliesten Boden des Sekretariats einen Höllenlärm. Mit ansteigendem Geräuschpegel hebt sich auch meine Stimmung. Denn Ms Penny und DD müssen ihr trauliches Geplauder unterbrechen, bis ich mit dem Teewagen den Schreibtisch erreiche. Na, wie hab ich das Mal wieder gemacht? Ich bin versucht, mir selbst auf die Schulter zu klopfen.
Am Ziel angekommen, verteile ich die Sachen auf dem Schreibtisch, wobei mir die Kenntnisse zugute kommen, die ich mir in einem Butlerkurs angeeignet habe. Ganz nützliches Zeug bringen die einem da bei, und ich bin drauf und dran, auch noch den Fortgeschrittenenkurs zu belegen und mich zum Sommelier ausbilden zu lassen.
Während meine Chefin und DD sich mit Kaffee und Gebäck zustopfen, beide hauen rein, als hätten sie eine längere Fastenzeit hinter sich, erzählt DD von seinen Abenteuern, die er und diese Studentin auf diesem unfreiwillig erfolgten Time Trip erlebt haben. Wobei er immer noch nicht herausgefunden hat, in welcher Epoche sie wegen einer offenbar defekten Time Control gelandet sind. Ich lausche quasi mit angehaltenem Atem, wenn ich mir mal diesen etwas schiefen Vergleich erlauben darf, speichere alles in meinem Memory Chip ab und freue mich schon, wenn ich diese haarsträubende Story im Kreis meiner Kumpels wiedergeben kann. Nicht, dass ich mich gern in den Mittelpunkt stelle, aber ich liebe nun Mal eine geistreiche Unterhaltung. Vor allen Dingen, wenn ich sie bestreite.
Und dann lässt DD die Bombe platzen.
Er dreht sich zu mir und fragt mich: 'Sag mal, Tiro, hättest du nicht Lust, auch einmal auf eine Zeitreise zu gehen? Das ließe sich bestimmt einrichten. Na, wie wär's? Steckt ein bisschen was von einem Abenteurer und Entdecker in dir?'
Ich gestehe, im ersten Moment verschlug es mir die Sprache.
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